„Ich war im Krieg“, gelungener Auftakt für die Ausstellung – weiteres Rahmenprogramm
Vergangenes kann man nicht ändern, aber sich kann man ändern: für die Zukunft
Immer wieder lese ich den Titel des Buches „Wir waren keine Menschen mehr“, das der zurückgekehrte Kriegsteilnehmer Luis Raffeiner und Frau Luise Ruatti geschrieben haben. Und ich stelle mir die Frage: was sind wir eigentlich, wir Menschen? Und wenn wir keine Menschen mehr sind, was sind wir dann? Unmenschen oder verlorene Menschen ohne Menschlichkeit? Oder könnte „Wir waren keine Menschen mehr“ bedeuten, dass jeglicher Bezug zu seinem Ich, zu seiner Würde und zu seinen eigenen Gedanken und zu seinem eigenen Wesen, verloren gegangen ist? Stellen wir uns einmal vor: wir sind im Krieg irgendwo an der Front, weit weg von zu Hause, schießen auf Menschen die uns nichts Schlechtes angetan haben, befolgen Befehle, die Offiziere ausführen, Offiziere in Uniform und plötzlich merken wir, dass wir nicht mehr sind. Wir sind degradiert zu Befehlsempfängern und die Befehle und diejenigen welche befehlen sind Teil einer sinnlosen und menschenunwürdigen Tötung und Zerstörung und unser Gewissen flüchtet sich in die Uniform die wir tragen und wir haben das Menschsein abgelegt und die Uniform, das Gewand der befohlenen Zerstörung angezogen. Zitiere aus dem Buch „Wir waren keine Menschen mehr“: „Es war mittlerweile 23 Uhr am Hl. Abend. Wir bekamen den Befehl das Dorf anzuzünden: Kriegstaktik der verbrannten Erde nannte sich das. Alles sollte zerstört werden, was wir nicht halten konnten. „Zu Hause wird der Mesner in diesen Augenblicken die Kerzen für die Christmette anzünden und wir zünden mit unseren Fackeln unschuldigen Menschen ihre Hütten an!“ Dieser Gedanke schoß mir dabei durch den Kopf. Aber Befehl war Befehl. Bei extremen Minusgraden wurden die Leute obdachlos. Das war unser Weihnachten und für die unschuldigen Menschen der Tod durch Erfrieren.
Die Sehnsucht
Die Kriegsführer rüsten auf, planen Zerstörung und Elend. Und die Menschen in Uniform werden zu „Wir waren keine Menschen mehr.“ Damit wir Menschen bleiben dürfen, sollten wir unsere Herzen aufrüsten. Uns selbst stärken und stark machen, um den versteckten und erkannten Befehlsgebern und Machenschaften die Stirn bieten zu können. Und wir haben genug von diesen Befehlsgebern und wir finden sie in der Vermassung der Menschen, in der Gleichschaltung für ein Ziel: immer mehr, immer schneller und immer höher. Und dabei wissen die Befehlsgeber und Werbetrategen ganz genau, dass die „gehorchenden Menschensoldaten“ bald draußen an der Front allein stehen werden und nicht mehr sein werden. Depression nennt man das heute, wenn die Seele keinen Halt mehr findet, wenn wir uns so weit von uns selbst entfernt haben, dass wir mit Luftwurzeln unterwegs sind und gehorchen und alles tun was uns tagtäglich von tendenziösen und rein materiellen Befehlsgebern „empfohlen“ wird. Und so finden wir uns eingereiht in den großen Fusionen der Globalisierung und sind Hörige und Abhängige und ohne Sehnsucht. Die Sehnsucht nach rein materiellen Werten ist keine Sehnsucht, das ist Sucht und Selbstaufgabe. Die Sehnsucht werden wir dann spüren, wenn wir aus unserer eigenen Kraft heraus so sein wollen und dürfen wie wir sind. Sehnsucht nach einem gefestigten Kern in uns, damit wir auf einem starken Fundament aufbauend wachsen dürfen ohne uns selbst zu verlieren. Und es entstehen Erzählungen und Wege und Begegnungen und die Sehnsucht freut sich über ihren freien Raum.
Die Aufgabe von Kultur, Kunst, Musik, Poesie
Wir spazieren in der freien Natur, hören die Stimme der Wälder und den Ruf der Vögel. Staunen über den Fleiß und die Arbeit der Menschen und erfreuen uns an Kulturlandschaft. Wir sehen uns Bilder an, die von Künstlern, von Menschen die aus dem Innern heraus malen, zeichnen, an und spüren so etwas wie eine Spiegelung unserer eigenen Bilder. Wir hören unsere Lieblingsmusik und fühlen uns uns selbst und unseren Mitmenschen nah und es kommt uns vor als würden wir plötzlich in einer anderen Welt sein. Wir lesen Gedichte und Texte die uns berühren und die einen Raum in uns öffnen, einen Raum der unser Raum, unser Spielraum ist. Oder wir nehmen an einer Eröffnungsfeier für eine Ausstellung über den Krieg teil und sind betroffen, was wir Menschen wenn wir keine Menschen mehr sind, bereit sind zu tun. Und wir fragen uns: wie kann das passieren? Könnte sowas Schreckliches auch heute noch passieren? Und wir haben plötzlich eine gemeinsame Plattform. Wir erleben gemeinsam und doch individuell Kunst, Kultur, Natur und langsam beginnen wir darüber zu sprechen, tauschen uns aus, wagen es unsere Gefühle zu zeigen und zu leben und schon haben wir eine gemeinsame Sehnsucht. Die Sehnsucht nach dieser uns oft fremden Welt des Unmessbaren. Eine Welt in der wir nicht messen können, nach menschlichem Maße. Es gibt keine Liter, keine Tonnen, keine Kilometer und keine Euro. Und so ist jede gewollte oder ungewollte Begegnung mit Kunst, Kultur, Musik und Poesie eine Begegnung mit unserer Sehnsucht. Und diese Sehnsucht nach einem bewussten Menschsein, nach gelebten Gefühlen bedeutet schlussendlich Liebe. Liebe zu jenen Dingen die uns die Freude an unseren materiellen und rationalen Errungenschaften zurück geben werden, wenn wir bereit und fähig sein können, die Dimension des Messbaren mit der Dimension des Unmessbaren in Gleichgewicht zu bringen. So wird Wirtschaft mit Kunst und Kultur zu einer Einheit und wir alle werden uns nach unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten da einsetzen wo wir uns stärker fühlen. Aber nicht in einem namenlosen und beherrschenden Konkurrenzdenken, sondern in einer respektvollen Begegnung miteinander und untereinander. Respekt fördert und fordert die Begegnung. Wir dürfen so sein wie wir sind und werden nicht mehr gleichgeschaltet oder gezwungen oder gedrängt. Diese Sehnsucht nach Euch, nach Euren eigenen Fähigkeiten und diese Sehnsucht nach dem Schönen und Würdevollen wünsche ich Euch und mir und ich bedanke mich bei Prof. Steurer, dass er hier in der Tschenglsburg war und über den Krieg erzählt hat, damit wir bereit werden, Frieden zu suchen und zu leben. Frieden in uns, in unserem Dorf und in unserer Welt. Bei Frau Luise Ruatti bedanke ich mich für das Beispiel das sie mir und uns gibt und ist. Sie lebt ihre Sehnsucht und ihre Worte kommen aus ihrem Innersten. Mit ihrer aufrichtigen und klaren Art erreicht sie die Menschen und trägt dazu bei, die Sehnsucht in den Menschen zu wecken. Die Sehnsucht nach Frieden und Liebe.
Liebe Ruth Kuntner, lieber Adalbert Tschenett, es ist schön und angenehm mit Euch an dieser Ausstellung zu arbeiten. Im Hausgang der Burg erleben wir die großen Zusammenhänge des Krieges und denken über den großen Frieden, den Weltfrieden nach. In der alten holzgetäfelten Stube der Burg bekommt der Krieg Gesichter. Menschen aus Tschengls sind in diesem großen Krieg dabei. Sie helfen uns, den Krieg zu erfühlen und damit die Sehnsucht nach Frieden neu zu wecken. Am Burgeingang haben gestern 22 Kerzen gebrannt. Sie sollten an jene Tschenglser erinnern, die weit weg von der Heimat sterben mussten. In einer Uniform, die sie zu Befehlsempfängern degradierte. Der Tod von unseren Mitbürgern und von allen im Krieg verstorbenen Menschen soll nicht umsonst gewesen sein.

Prof. Leopold Steurer bei seinem beeindruckenden Vortrag. An seiner Seite, Frau Luise Ruatti.Im Hintergrund interessierte Zuhörer

Die Bibliotheken von Tschengls und Laas haben in der Stube der Tschenglsburg themenbezogene Bücher ausgelegt. Diese stehen den Besuchern während der Ausstellung zur Verfügung. Danke an die Verantwortlichen der Bibliotheken.
Weiteres Rahmenprogramm
Samstag, 04. Februar: Tschengls während der Optionszeit und im 2. Weltkrieg. Referent: Dr. Herbert Raffeiner. Beginn 18.00 Uhr
Sonntag, 05. Februar: Ein Sonntagnachmittag mit Maridl Innerhofer, bekannte Mundartdichterin aus Marling und Tochter des Lehrers Franz Innerhofer, der 1921 von den Faschisten in Bozen erschossen worden ist. Gernot Niederfriniger wird Maridl musikalisch begleiten. Beginn: 17.00 Uhr
Samstag, 11. Februar: “ Ein Fest für den Frieden“ Um 19.00 Uhr: Konzert in der Pfarrkirche und anschließend Festabend in der Tschenglsburg mit Musik und Literatur und vergessenen Gerichten. Für den Festabend in der Burg ist eine Anmeldung erforderlich. (Begrenzte Teilnehmerzahl)
Ab 18.30 Uhr werden vor der Pfarrkirche 500 Kerzen brennen, die ein
Lichterlabyrinth darstellen.
- So ein Lichterlabyrinth werden wir vor der Pfarrkirche am 11. Februar errichtet
Wir freuen uns auf Euren Besuch








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